Kurz nach dem Start aus Muri fängt es wieder an zu regnen, auch der Gegenwind ist
treu. Allerdings das Ganze bei nur 6 Grad. Mein Atem zieht in weißen Fahnen davon.
Alles, was in der Schweiz ein Auto hat,
scheint sich auf meine Strecke zu konzentrieren. Ca. ein Viertel der Strecke
fahre ich auf Radwegen, die hier doch wesentlich besser sind als in Deutschland.
Hier gibt es weniger Baumwurzeln mit den sich ergebenden Unebenheiten und eine
meistens gute Beschilderung.
Trotzdem friere ich ziemlich, besonders, wenn es mal bergab geht. Die Wolken
hängen sehr tief; etwa 400 m höher sind die Berge weiß. Ich kann mir einfach
nicht vorstellen, dass der Gotthard-Pass offen ist.
Ist er auch nicht. Nur der Gotthard-Tunnel ist offen, und das ist eine Autobahn.
Mir bleibt nur der Zug. Da die Straße von Schwyz, wo ich mittlerweile nach der
östlichen Umfahrung des Zuger Sees angekommen bin, nach Andermatt durch zahlreiche
bis zu 3 km lange Tunnel geht, die mit dem Fahrrad wegen der Lautstärke und des
Gestanks nur unter gesundheitlichen Schäden und Gefahren zu befahren sind,
beschließe ich, schon in Schwyz in den Zug zu steigen. Passenderweise befindet
sich der Bahnhof direkt vor mir. Ich zahle 22 Franken für mich und 15 Franken
für das Velo, wie ein Fahrrad auf Schweizerisch heißt. Für die 55 km bis
Airolo braucht die Bahn eine Stunde, aber im Zug ist es schön warm. Es erweist
sich als schwierig, das mit Gepäck über 50 kg schwere Fahrrad in den Zug zu
hieven, aber unter Aufbietung aller Kräfte klappt es schließlich. Kaum bin ich
im Zug, klappt die Tür automatisch zu und wirft mich mit dem Fahrrad um, weil ich
noch keinen sicheren Stand hatte. Ist aber nichts passiert.
In Airolo bitte ich den Schaffner, mir beim Aussteigen mitzuhelfen, was er auch
gerne tut. Aber er hat wohl nicht damit gerechnet, dass das Fahrrad so schwer ist.
In Airolo scheint die Sonne, und es ist deutlich wärmer. Der Schaffner meint,
das sei immer so. Ich finde es jedenfalls herrlich. Trotz vieler (Wander-)Wegweiser
ist nicht klar, in welche Richtung ich fahren muss. Ich fahre auch prompt in die
falsche Richtung los. Ein Arbeiter zeigt mir dann den richtigen Weg.
Die Strecke von Airolo nach Bellinzona ist für Fahrradfahrer ein Traum. Die ersten
sieben km muss ich kein einziges Mal treten, auch danach nur wenig. Zum Teil geht
es steil bergab, was zu Geschwindigkeiten über 60 km/h führt. Das hebt meinen
Durchschnitt gewaltig. Man glaubt gar nicht, wie gut es tut, die Sonne auf dem
Rücken zu spüren.
Kurz vor Bellinzona dreht der Wind, und ich muss wieder kräftiger treten.
Es ist unglaublich viel Verkehr. Teilweise muss ich erhebliche Umwege fahren, weil
die Hauptstrße für Fahrräder gesperrt ist. Aber endlich komme ich an den Lago
Maggiore, wo ich am südöstlichen Ufer entlang fahre. Nach dem Abzweig nach
Locarno, den ich nicht nehme, aber fast alle anderen, wird es erheblich ruhiger.
Mittlerweile ist 20 h vorbei, die Sonne geht unter, aber ich will nicht noch
einmal auf Schweizer Gebiet übernachten. Die Preise sind einfach unverschämt.
Nach der italienischen Grenze ziehen Wolken auf, und es beginnt wieder zu regnen.
Einen Schauer warte ich unter einer Brücke ab, beim nächsten, heftigeren, stelle
ich mich bei einem Gasthof in Maccagno unter. Er heißt "Albergo Paradiso". Während
ich warte, frage ich nach dem Preis für eine Übernachtung. Sie nehmen 35 Euro mit
Frühstück. Als ich die Alternative (nasses Zelt auf dem Campingplatz, Frieren in
der Nacht und möglicherweise Einpacken eines nassen Zeltes) überlege, bricht der
nächste Schauer los, der eher einem Wolkenbruch gleicht. Das macht mir die
Entscheidung leicht.
Es ist nicht das feinste Hotel, alle ist recht einfach. Beim Duschen wird das
Wasser nicht warm, aber was solls. Ich bestelle einen großen Teller Pasta, der
mich zwar nicht ganz satt macht, aber köstlich schmeckt.
Morgen will ich Richtung Genua fahren. Die Wirtin hier sagt, dass es morgen regnen
soll. Öfter mal was Neues! Auf jeden Fall ist der Regen hier nicht so kalt.
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