9.5.2005, 6. Tag, 146 km, Maccagno am Lago Maggiore

Kurz nach dem Start aus Muri fängt es wieder an zu regnen, auch der Gegenwind ist treu. Allerdings das Ganze bei nur 6 Grad. Mein Atem zieht in weißen Fahnen davon. Alles, was in der Schweiz ein Auto hat, scheint sich auf meine Strecke zu konzentrieren. Ca. ein Viertel der Strecke fahre ich auf Radwegen, die hier doch wesentlich besser sind als in Deutschland. Hier gibt es weniger Baumwurzeln mit den sich ergebenden Unebenheiten und eine meistens gute Beschilderung.
Trotzdem friere ich ziemlich, besonders, wenn es mal bergab geht. Die Wolken hängen sehr tief; etwa 400 m höher sind die Berge weiß. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Gotthard-Pass offen ist.
Ist er auch nicht. Nur der Gotthard-Tunnel ist offen, und das ist eine Autobahn. Mir bleibt nur der Zug. Da die Straße von Schwyz, wo ich mittlerweile nach der östlichen Umfahrung des Zuger Sees angekommen bin, nach Andermatt durch zahlreiche bis zu 3 km lange Tunnel geht, die mit dem Fahrrad wegen der Lautstärke und des Gestanks nur unter gesundheitlichen Schäden und Gefahren zu befahren sind, beschließe ich, schon in Schwyz in den Zug zu steigen. Passenderweise befindet sich der Bahnhof direkt vor mir. Ich zahle 22 Franken für mich und 15 Franken für das Velo, wie ein Fahrrad auf Schweizerisch heißt. Für die 55 km bis Airolo braucht die Bahn eine Stunde, aber im Zug ist es schön warm. Es erweist sich als schwierig, das mit Gepäck über 50 kg schwere Fahrrad in den Zug zu hieven, aber unter Aufbietung aller Kräfte klappt es schließlich. Kaum bin ich im Zug, klappt die Tür automatisch zu und wirft mich mit dem Fahrrad um, weil ich noch keinen sicheren Stand hatte. Ist aber nichts passiert.
In Airolo bitte ich den Schaffner, mir beim Aussteigen mitzuhelfen, was er auch gerne tut. Aber er hat wohl nicht damit gerechnet, dass das Fahrrad so schwer ist.
In Airolo scheint die Sonne, und es ist deutlich wärmer. Der Schaffner meint, das sei immer so. Ich finde es jedenfalls herrlich. Trotz vieler (Wander-)Wegweiser ist nicht klar, in welche Richtung ich fahren muss. Ich fahre auch prompt in die falsche Richtung los. Ein Arbeiter zeigt mir dann den richtigen Weg.
Die Strecke von Airolo nach Bellinzona ist für Fahrradfahrer ein Traum. Die ersten sieben km muss ich kein einziges Mal treten, auch danach nur wenig. Zum Teil geht es steil bergab, was zu Geschwindigkeiten über 60 km/h führt. Das hebt meinen Durchschnitt gewaltig. Man glaubt gar nicht, wie gut es tut, die Sonne auf dem Rücken zu spüren.
Kurz vor Bellinzona dreht der Wind, und ich muss wieder kräftiger treten. Es ist unglaublich viel Verkehr. Teilweise muss ich erhebliche Umwege fahren, weil die Hauptstrße für Fahrräder gesperrt ist. Aber endlich komme ich an den Lago Maggiore, wo ich am südöstlichen Ufer entlang fahre. Nach dem Abzweig nach Locarno, den ich nicht nehme, aber fast alle anderen, wird es erheblich ruhiger. Mittlerweile ist 20 h vorbei, die Sonne geht unter, aber ich will nicht noch einmal auf Schweizer Gebiet übernachten. Die Preise sind einfach unverschämt.
Nach der italienischen Grenze ziehen Wolken auf, und es beginnt wieder zu regnen. Einen Schauer warte ich unter einer Brücke ab, beim nächsten, heftigeren, stelle ich mich bei einem Gasthof in Maccagno unter. Er heißt "Albergo Paradiso". Während ich warte, frage ich nach dem Preis für eine Übernachtung. Sie nehmen 35 Euro mit Frühstück. Als ich die Alternative (nasses Zelt auf dem Campingplatz, Frieren in der Nacht und möglicherweise Einpacken eines nassen Zeltes) überlege, bricht der nächste Schauer los, der eher einem Wolkenbruch gleicht. Das macht mir die Entscheidung leicht.
Es ist nicht das feinste Hotel, alle ist recht einfach. Beim Duschen wird das Wasser nicht warm, aber was solls. Ich bestelle einen großen Teller Pasta, der mich zwar nicht ganz satt macht, aber köstlich schmeckt.
Morgen will ich Richtung Genua fahren. Die Wirtin hier sagt, dass es morgen regnen soll. Öfter mal was Neues! Auf jeden Fall ist der Regen hier nicht so kalt.

So wird in der Schweiz Stimmung gegen Europa gemacht!

Am Zuger See

Die Wolken hängen tief

Der Gotthard-Pass ist geschlossen

Auf dem Bahnhof in Schwyz

In Airolo angekommen

Ziemlich viele Wegweiser, leider nur für Wanderer

Die herliche Tessiner Landschaft

Der Lago Maggiore