Ich komme früh los. In einer Bar um die Ecke bekomme ich das, was man hier
anscheinend unter Frühstück versteht: 1 Tasse Cappuccino und zwei süße Plätzchen,
vorzugsweise Fettgebäck. So langsam habe ich mich daran gewöhnt. Die Leute sind
nett. Sie wollen einem den Weg erklären, obwohl sie ihn selbst nicht genau wissen.
Inzwischen weiß ich, was ich davon zu halten habe.
Die Fahrt durch die letzten Ausläufer der Toskana ist wieder wunderschön. Bei gutem
Wetter genieße ich die Gegend, besonders die vielen Blumen am Wegrand und den
Geruch von frisch gemähtem Gras.
Doch der Tag hat noch einige Überraschungen für mich. Als ich kurz vor Orbetello
bin, muss ich wieder auf die SS 1. Doch die wird nach einigen Kilometern ohne
vorherige Ankündigung und Ausweichmöglichkeit zur Kraftverkehrsstraße: für Fahrräder
verboten. Damit man auch nicht auf dumme Ideen kommt, ist eine Polizeistation
direkt daneben. Da die Ausfahrt Orbetello nur noch 2 km entfernt ist und außerdem
die Autos hier nur 70 km/h fahren dürfen, wage ich es trotzdem, aber mit ungutem
Gefühl. Es geht gut, aber weiter komme ich jetzt nicht mehr. Es gibt für mich
keine Möglichkeit, nach Civitavecchia zu kommen als mit dem Zug, wenn ich nicht
wieder einen noch weiteren Umweg über die Berge mit ziemlichen Höhenunterschieden
machen will. Das kommt jetzt für mich nicht in Frage.
Die Fahrkarte für die 70 km kostet 3,30 Euro, das Fahrrad zusätzlich 2 Euro.
An solchen Preisen sollte sich die Bahn bei uns mal ein Beispiel nehmen.
Der Zug hat Verspätung, ganz wie bei uns. Doch die nimmt zu; erst 10, dann 15,
dann 20 und zuletzt 25 min. Macht nichts. Ich warte eine Stunde auf dem Bahnsteig.
Das Wetter wird schlechter. Es zieht sich langsam zu.
Als der Zug kommt, ist das Gepäckabteil für Fahrräder ganz vorne. Nur mit äußerster
Mühe bekomme ich das Fahrrad hochgehievt, wie schon in der Schweiz. Kurz vor
Civitavecchia kommt der Schaffner und erklärt mir, dass ich den Zusatzfahrschein
für das Fahrrad hätte abstempeln müssen. Er sei dann 24 h gültig. Da ich das nicht
getan habe, will er 5 Euro Strafgeld haben. Ich diskutiere etwas mit ihm, weil
mir das keiner gesagt hat, aber es ist zwecklos. Ich gebe ihm die 5 Euro, die er
sofort in seine private Geldbörse steckt. Na ja.
In Civitavecchia erwarten mich zwei auf dieser Fahrt äußerst treue Begleiter:
Gegenwind und Regen. Und natürlich viel Verkehr. Ich komme am Hafen vorbei, von
dem wir vor 29 Jahren einmal mit der Fähre nach Sardinien gefahren sind.
Der Regen ist nicht so schlimm, er ist wenigstens warm, etwa 18 Grad. Das lässt
sich besser ertragen als in der Schweiz. Außerdem lässt er nach einer Stunde nach.
Dann kommt die Sonne wieder durch. Herrlich!
Ich fahre südlich am Flughafen Fiumicino, dem Hauptflughafen Roms vorbei. Die
großen Maschinen setzen direkt über meinem Kopf zur Landung an, ca. 500 m bis
zum Aufsetzen.
Ich hatte Sorge, nicht über den Fluss Tevere nach Lido di Ostia zu kommen, weil
die einzige Straße mit der Brücke auf der Karte genauso eingezeichnet ist wie
die Kraftverkehrsstraßen. Doch hier sind Fahrräder erlaubt. Großes Aufatmen. Sonst
hätte ich durch Rom gemusst, was ich auf keinen Fall will.
Jetzt geht es zügig weiter. Der Wind kommt jetzt konstant von hinten links, ich
komme gut voran. Anzio ist ein schönes altes Städtchen, Nettuno auch. Hier ist ein
Volksfest, gut, dass ich nicht mit dem Auto durchmuss. Mit dem Fahrrad ist es
schwierig genug.
Langsam wird es dunkel, die Zugfahrt hat mich doch viel Zeit gekostet. Der nächste
Campingplatz ist 30 km weit, und im Dunkeln ist es mir zu gefährlich. Da sehe ich
in Acciarella ein Landgasthaus mit Zimmern. Es entpuppt sich als großes Restaurant,
die Zimmer sind für 4 Personen und würden 81 Euro kosten. Für mich würden sie es
für 50 Euro machen. Das ist mir aber immer noch zuviel. Ich frage, ob ich nicht mein
Zelt im Garten aufstellen kann, was sie zuerst nicht wollen. Morgen ab 11 h würden
viele Gäste erwartet (na klar, Pfingsten!), und da würde sich so ein Zelt nicht
gut machen. Als ich versichere, noch vor 8 h weg zu sein, gestatten sie es mir.
Ich bekomme in diesem Restaurant ein ausgezeichnetes Essen mit mehreren Gängen.
Eine Karte gibt es nicht. Alles ist frisch zubereitet und mundet köstlich. Die
Kellner haben mitbekommen, wo ich herkomme, und sind sehr nett.
Es ist das beste Essen, was ich je in Italien gegesssen habe.
Wenn alles gut geht, werde ich morgen bis kurz vor Neapel kommen.
Jetzt bin ich müde und satt.
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