Im Gand Hotel Vesuvio gibt es ein grandioses Frühstück mit allem, was das Herz
begehrt. Der Himmel ist blau, die Sonne lacht. Nach dem Packen und Eincremen
mit Sonnenmilch lassen wir uns unsere Räder herausgeben. Das Personal ist sehr
interessiert an unserer Reise.
Wir stürzen uns in den auch morgens schon chaotischen Verkehr Neapels. Wer hier
mit dem Auto unterwegs ist, muss entweder krank sein oder wirklich nicht anders
können. Das Gehupe und Gedrängel im ewigen Stau ist kaum zu ertragen. Mit den
Fahrrädern mogeln wir uns durch viele Autos, Lastwagen und vor allem Motorräder
und Motorroller hindurch, oft nur mit knappem Abstand. Wer rote Ampeln respektiert,
kommt gar nicht vorwärts. Hohe Geschwindigkeiten sind aber für alle Fahrzeuge
unmöglich. Hinzu kommt als besondere Schwierigkeit für Fahrradfahrer das Basaltpflaster,
oft aus großen, manchmal aus kleinen Blöcken und manchmal aus Kopfsteinpflaster
bestehend, aber mit mit großen Höhenunterschieden und Kanten, die Geschwindigkeiten
über 10 km/h schon gar nicht zulassen. Aus Seitenstraßen kommende Autofahrer sehen
in Radfahrern keine Verkehrsteilnehmer. Immer wieder fahren sie rücksichtslos bis
zur Straßenmitte vor und bleiben dann stehen, bis sie weiterfahren können. Das
ankommende Fahrrad, das eigentlich Vorfahrt hat, interessiert sie nicht. Meistens
haben die Typen eine Zigarette im Mundwinkel und das Handy am Ohr. Nirgendwo auf
der Welt habe ich bisher ein so konstant rücsichtsloses Verhalten so häufig erlebt.
Doch wenn ich dachte, nach einigen Kilometern würde sich die Lage langsam entspannen,
werde ich eines Besseren belehrt. Eine Stadt geht in die andere über, Schilder
fehlen oft, die für uns wichtig wären. Wir fahren mehrere Male kräftig falsch
und müssen dann nach dem Weg fragen.
Etwa 50 km lang geht diese Horrorfahrt, oft auch in entgegengesetzter Richtung
in Einbahnstraßen. Busse überholen knapp, Lastwagen blockieren die ganze Straße,
in zweiter Reihe geparkte Autos sind für uns sehr gefährlich. Um vorbeizukommen
findet sich oft keine Lücke im fließenden Verkehr.
Für diesen Albtraum von 50 km lassen sich nur schwer Worte finden. Ich atme in diesen
vier Stunden mehr Abgase ein und erlebe mehr gefährliche Situationen als sonst
in einem ganzen Jahr in Gelsenkirchen. Andere Radfahrer sehen wir gar nicht.
Kann ich gut verstehen. Ich weiß nicht, wie die Menschen hier leben können. Ich
weiß nur eins: dass ich hier nie wieder hin will.
Hinter Nocera geht es dann endlich abwärts auf asphaltierter Straße nach Salerno.
Der Verkehr ist nicht mehr so dicht, und ab Salerno gibt es sogar einen Radweg
am Strand entlang. Hier kann man langsam wieder aufatmen. Ein leichter Rückenwind
hilft uns beim Vorwärtskommen.
Michael hält sich prächtig für den ersten Tag. Wir kommen überein, bis Agropoli
am südlichen Ende des Golfes von Salerno zu fahren. Über dreißig km geht der
Radweg von Salerno - und er ist im Gegensatz zu so manchem anderen Radweg gut
zu befahren. Keine Baumwurzeln, keine Löcher im Asphalt, keine halbmetertiefen
Gullideckel, einfach nur ein schöner Radweg. Vorbei geht es an Paestum mit dem
alten Heerlager der Römer. Eine imposante Anlage. Unglaublich, was die Menschen
damals mit ihren einfachen Werkzeugen zustande gebracht haben.
In Agropoli finden wir ein Hotel direkt am Strand. Wie gut das Duschen tut!
Michael ist froh, seinen ersten Tag so gut hinter sich gebracht zu haben.
Nach einem guten Abendessen fallen wir todmüde ins Bett.
Morgen wollen wir ein bisschen über's Land fahren, um in Sarpi wieder ans Meer
zu kommen. Hoffentlich sind die Steigungen erträglich.
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