Die Wirtin hatte recht. Es regnet weiterhin, aber nicht mehr so heftig, dass die
Schuhe nass werden. Allerdings kann ich die Trainingshosee nicht überziehen, die
würde zu nass. Daher fahre ich wie immer in der (kurzen) Radhose. Das bedeutet,
dass ich mich bei einer Temperatur von 11 Grad und geschlossener Wolkendecke
mit Strampeln warmhalten muss. Die Pausen dürfen nicht zu lang werden, dann friere
ich erbärmlich.
Aber der Regen lässt auch wieder nach, so dass ein großer Teil des heutigen
Tages trocken verläuft.
Ein Tunnel nach dem anderen folgt am Ufer des Lago Maggiore. Ich kann
inzwischen mit der Hacke des rechten Schuhs den Dynamo einschalten (am Hinterrad).
Nur zum Ausschalten muss ich kurz anhalten. Die Strecke ist sehr romantisch und
verkehrsarm. Wenn jetzt noch die Sonne schiene, könnte man sich wie im Urlaub
fühlen.
In Sesto am Südufer des Lago Maggiore fahre ich 3 km (bergauf) in die falsche
Richtung. Erst eine kreuzende Autobahn, die hier gar nicht sein dürfte, lässt
mich stutzig werden. In der Ferne ist ein Heinweisschild, das ich aber nicht
lesen kann. Hinfahren will ich auch nicht, so mache ich mit der Kamera ein Bild
und vergrößere es. Aha, genau falsch gefahren. Also wieder kehrt gemacht. Zum
Glück geht es jetzt bergab. Aber sowas passiert eben.
Ich habe kleine Straßen in Richtung Genua ausgesucht. Und das sind sie wirklich:
ziemlich schmal. Zwei Lastwagen kommen kaum aneinander vorbei. Die Autos berühren
mich fast, und viele Lastwagen müssen auf mein Tempo herunterbremsen und darauf
warten, dass eine Lücke im Gegenverkehr auftaucht, bevor sie überholen können.
Angenehm ist das nicht, auch kein Job für nervenschwache Naturen. Eine Serie von
überholenden Lastwagen hat auch einen Vorteil: sie blockieren den Gegenwind und
sorgen - wenn auch nur für kurze Zeit - für etwas Rückenwind.
Tagsüber wird es nicht wesentlich wärmer. Die Straßen in der Poebene sind
gerade und eben und ziehen sich wir Kaugummi. Rechts und links sind Felder, die
offenbar absichtlich ca. 10 cm unter Wasser stehen. Es sind Vorrichtungen
vorhanden, das Wasser ablaufen zu lassen. Ich weiß nicht, was hier angebaut wird,
aber den Pflanzen nach könnte es Reis sein. Wenn ich nur etwas von der Straße
abkommen würde, würde ich im Wasser landen.
Endlich gelange ich an den Po. Ich habe ihn mir eigentlich viel mächtiger vorgestellt,
nicht so mickrig. Die Gegend lässt sich am Treffendsten mit einem Wort beschreiben:
trostlos. Das liegt nicht nur an den grauen Wolken und dem Dunst, der hier wohl sehr
häufig ist, sondern auch an den Straßen und der Bebauung. Jedenfalls ist hier
nichts, was einen vom Fahren abhalten würde, und so schaffe ich heute endlich
mal eine ordentliche Strecke. Kurz hinter dem Po überschreite ich die ersten 1000 km.
In Novi Ligure frage ich im Restaurant "Gasthaus", das sich wohl auf bayrische
Gerichte sprezialisiert hat und wo keiner auch nur ein Wort Deutsch spricht,
nach einem preiswerten Hotel. Nicht weit davon befindet sich eins, das 33 Euro
einschließlich Frühstück nimmt. Ein Campingplatz ist weit und breit nicht
vorhanden, also nehme ich es.
Ich bin mal gespannt, wie steil die Straßen im Apennin wirklich sind. In der
Karte ist der höchste Pass (Passo del Giovi) 472 m hoch. Das scheint ja nicht
so schlimm zu sein. Hoffentlich komme ich gut durch Genua und verfahre mich
nicht wieder.
Übrigens - vielen Dank an alle, die mir eMails schreiben. Ich kann zwar nicht
alle beantworten, aber jede einzelne freut mich sehr. Ich sehe, dass meine
abendliche Tipperei doch mit Interesse gelesen wird.
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