Wir sind schon um 3 Uhr in Paris und suchen die TGV-Station auf dem Gelände des Flughafens Charles de Gaulle. Die ist jedoch auf einmal nicht mehr ausgeschildert. Wir kommen an eine Stelle, wo es nur noch durch Schranken wie an den Parkhäusern an Flughäfen weitergeht. Johannes fährt die ganze Zufahrt rückwärts wieder hoch, zum Glück ist noch kein Verkehr. Auf der anderen Seite finden wir dann endlich den Bahnhof. Ich lade Fahrrad und Gepäck aus und verabschiede mich von Johannes. Der Ticketschalter macht erst um 6:10 Uhr auf. Mit mir warten ein paar andere Fahrgäste, die zum Teil auf den sehr unbequemen Bänken liegen und schlafen. Mir wollen auch die Augen zufallen, habe ich doch in der letzten Nacht nur drei Stunden geschlafen. Aber ich finde keine erträgliche Lage. Also bleibe ich wach und stehe schon als Erster in der Schlange, als der Schalter endlich öffnet. Die Ticketverkäuferin spricht ein wenig deutsch und gibt sich große Mühe, aber erklärt mir nach viel Herumgetippe auf der Tastatur und Nachfragen bei Kolleginnen, dass ich auf keinen Fall das Fahrrad in den Zug nach Valence nehmen kann. Erstens müsse das Tage vorher angemeldet werden, zweitens müsse es von einer Spezialfirma abgeholt werden, und drittens habe jeder TGV nur 5 Fahrradplätze, die heute bereits alle voll seien. Ich frage, ob ich nicht mit einem normalen Zug und nicht dem Hochgeschwindigkeitszug fahren könne. Sie antwortet, dass von Paris nur noch TGVs fahren würden. Ich bleibe aber hartnäckig und erkläre ihr, dass ich ja schließlich vor zwei Tagen auch von Valence nach Straßburg im normalen Zug unter Mitnahme des Farrads gefahren sei. Ob es denn von Paris keinen normalen Zug nach Straßburg gäbe. Doch, den gäbe es sogar. Aber das Heraussuchen der weiteren Verbindungen sei ihr zuviel Arbeit, meint sie, tut es dann aber doch. Ich könnte um 10 Uhr losfahren und wäre dann mit zweimaligem Umsteigen gegen 21 Uhr in Valence. Eine Kollegin erscheint und wird zusätzlich befragt, und plötzlich wird mir gesagt, dass es auch einen TGV-Zug nach Valence mit Fahrradtransport gibt, allerdings erst um 18.34 Uhr und von Gare de Lyon, einem anderen Bahnhof in Paris. Er kommt auch gegen 21. Uhr in Valence an und ist nicht teurer. Also nehme ich ihn, was bleibt mir anderes übrig? Jetzt muss ich aber erst einmal zum Gare de Lyon kommen! Man sagt mir, dass ich es mit der U-Bahn machen sollte, das wäre auch für Fahrgäste mit Fahrrädern kein Problem. Ist es aber doch. Das fängt schon damit an, wie ich auf den Bahnsteig komme. Nur Rolltreppen, die im Augenblick für mich nicht in Frage kommen. Ich spreche einen freundlichen Schaffner an, der gerade einen Automaten repariert. Er schließt mir ein Stück weiter ein Tor auf, das zu einem Aufzug führt. Damit komme ich in die erste U-Bahn. Doch am Gare du nord muss ich umsteigen. Hier gibt es nur einen Aufzug, und der ist defekt. Ein freundlicher Passant hilft mir dabei, mit dem Fahrrad die Rolltreppe hinaufzufahren, ein anderer, am nächsten Bahnsteig wieder herunterzufahren. Da das Gepäck aber nur noch halb so schwer ist, klappt das jetzt ganz gut. Am Gare du Lyon, von wo ich abends fahren muss, gibt es drei Ebenen. Ganz unten bin ich angekommen. Um aus dieser Ebene herauszukommen, muss man durch eine enge Schranke, eine Art Drehkreuz, was ich mit dem Fahrrad natürlich nicht kann. Um mich herum hasten die Pariser Montag-Morgen-Menschenmassen, die es alle eilig haben und denen ich scheinbar allen im Weg bin. Nach längerer Suchen finde ich einen freundlichen Beamten, der zwar weder deutsch noch englisch versteht, mir aber einen breiteren Durchgang zeigt, den ich nicht gesehen habe. Er bleibt genau drei Sekunden offen, nachdem ich meine Fahrkarte in den Entwerter gesteckt habe. Ich schaffe es so gerade. Jetzt stehe ich wieder vor riesigen Rolltreppen, aber im Suchen von Aufzügen bin ich heute schon ein ganzes Stück weitergekommen. Die Leute fragen ist schwierig, erstens verstehen sie mich kaum, und zweitens wissen sie es selber nicht. Zum Glück habe ich massig viel Zeit. Der Aufzug, den ich gefunden habe, bringt mich ins oberste Stockwerk. Ich lande in einer äußerst verkommenen Ecke, die sehr unangenehm riecht und scheinbar nicht zu den Zügen führt. Also fahre ich in die mittlere Ebene. Alles ist sehr weitläufig, viele moderne Geschäfte, wieder viele hastende Menschen, wie in einem Ameisenhaufen. Nur die Züge fahren hier nicht ab. Ich will aber unbedingt herausbekommen, wo heute abend mein Zug abfährt. Also suche ich einen anderen Aufzug, den ich nach einigem Nachfragen auch tatsächlich sozusagen in der hintersten Ecke des Bahnhofs finde. Der bringt mich endlich dahin, wo die Züge losfahren. Auf den großen Anzeigetafeln werden die vielen Züge aufgeführt, die hier angeblich ununterbrochen abfahren. 20 Minuten vor Abfahrt wird das Gleis auf der Anzeigetafel bekanntgegeben. Die aktuellen Züge fahren von Gleisen ab, die mit Zahlen benannt sind, 5, 17 19 und 22. Die (nicht wenigen) Züge vor meiner Nase stehen aber an Gleisen, die mit Buchstaben bezeichnet sind (A-M). Irgendetwas stimmt hier nicht. Als ich vorhin bei der Information für die obere Ebene (die einzelnen Ebenen haben nichts miteinander zu tun) nach dem Abfahrtsort für meinen Zug gefragt habe, hatte der Mann aber in diese Richtung gezeigt. Außerdem meinte er auf meine Frage, ob es eine vorher bekannte Stelle gäbe, wo das Fahrrad in den Zug kommt, dass ich mir einen großen Plastiksack kaufen müsste, wo das Fahrrad hineinkäme. So etwas kenne ich nur von Flügen, und da gab es die Beutel kostenlos von der Gesellschaft (Nordkap-Tour). Sein Kollege meinte dann aber, es ginge auch so. Was soll ich davon halten? Also suche ich weiter nach den Gleisen mit den Nummern und stelle plötzlich fest, dass es am anderen Ende des (sehr großen) Bahnhofs hinter der großen Halle einen weiteren Gleisbereich gibt mit bezifferten Gleisen. Jetzt weiß ich endlich, wo heute abend mein Zug abfahren wird, und bin erleichtert. Ich habe dafür über zwei Stunden gebraucht. Nicht auszudenken, wenn ich in Zeitdruck gewesen wäre! Ich schlendere ein wenig mit dem Fahrrad durch die Umgebung des Bahnhofs. Es ist nicht gerade die beste Gegend von Paris. Auffällig sind die vielen "geparkten" Motorroller und Motorräder, die seltsamerweise zum Teil auf dem Asphalt liegen. Anscheinend ist das hier normal. Naja. Meine Spiegel wären mir zu schade dafür. Ich finde ein Cafe, wo ich von außen einen Tisch sehe, der an einer Steckdose steht und von dem ich das Fahrrad gut sehen kann. Jetzt genehmige ich mir erst einmal ein Frühstück und danach einen großen Cafe au lait, ohne den ich die Augen nicht mehr offen halten könnte. Hier lässt sich dieser Bericht gut schreiben. Ich hätte zwar noch Zeit, eine Besichtigungs-Tour durch Paris zu machen, aber ich weiß nicht, wo ich mein Fahrrad und das Gepäck lassen könnte. Der Stadtrundfahrtbus fährt jedenfalls direkt vor meiner Nase los. Ich wäre aber auch zu müde, um noch viel aufnehmen zu können. Besser ich komme ein anderes Mal wieder, um die Stadt kennenzulernen. Lieber will ich hier in dem relativ ruhigen Cafe sitzen bleiben, bis die Zeit zum Abfahren gekommen ist. Ich habe gefragt, die Leute haben nichts dagegen. Auf die Fahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug bin ich gespannt. Es sind ja über 600 km von Paris bis Valence. Der Zug soll 2 1/2 Stunden dafür brauchen, einschließlich der Stopps in den verschiedenen Städten. Das schafft er nur, wenn er stellenweise deutlich über 300 km/h fährt. Wenn ich heute abend in Valence ankomme, werde ich zum Campingplatz fahren, der nicht weit von der Stadtmitte sein soll. Ich bin mal gespannt, ob ich die drei Tage aufholen kann, in denen ich nicht Fahrrad gefahren bin. Ich habe auch kein Fieber mehr, das Antibiotikum hat anscheinend gut gewirkt. Mit dem wenigen Gepäck fährt es sich jetzt sehr viel leichter, wie ich auf den kurzen Strecken hier in Paris, die ich auf dem Fahrrad zurückgelegt habe, bereits festgestellt habe. Warum musste ich es mir auch so schwer machen! Ein Handtuch reicht doch. Es kann während des Tages trocknen - oder auch nicht. Jedenfalls hat mir bei der Geburt keiner versprochen, dass ich zum Abtrocknen immer ein sauberes Handtuch haben werde. Eine Radfahrhose zum Fahren und eine zum Wechseln, ein zweites T-Shirt, zwei Unterhosen, eine kurze Hose, ein zweites Paar Socken und der Trainingsanzug sind alles, was ich außer der Jeans, die ich hier in Paris trage, mithabe. Zahnbürste, Zahnpasta, Duschgel, Sonnencreme und Waschmittel in der Tube sind im Kulturbeutel. Nur noch das halbe Werkzeug und Ersatzteile, ein Beutel Limokonzentrat unf meine Sandalen sowie mein Notebook mit total abgespecktem Zubehör füllen die beiden Seitentaschen. In der Lenkertasche sind die empfindlichen Dinge wie Fotoapparat, Handy, Ladegeräte, etwas Werkzeug, Fernglas, Thermometer und Papiere. Ach ja, viele Karten konnte ich schon zu Hause lassen, der Rest ist nicht mehr so viel. Ich bin mal gespannt, was ich heute noch alles an Überraschungen erlebe. Mein Bedarf ist jedenfalls für's Erste gedeckt. Ach übrigens, wen an diesem Tour-Bericht nur das reine Fahrradfahren interessiert, hätte den heutigen Bericht nicht zu lesen brauchen ... |