Keine größeren Überraschungen mehr. Der französische Schnellzug war zwar schnell, aber die Wagen waren schon ein wenig in die Jahre gekommen. Nur zwei Stopps bis Valence. Das Gepäckabteil war ganz leer. Mein Fahrrad war das einzige. In Valence fragte ich einen Passanten nach dem Weg zum Campingplatz. Der trug einen langen weißen Bart und einen ebenso langen weißen Zopf, blickte länger in den Himmel, legte mir dann die Hand auf die Schulter, sah mir tief in die Augen und antwortete dann langsam: "You must find your own way." Klar, wenn er den Weg nicht kennt, kann er es doch gleich sagen. Es war schon dunkel. Ein anderer Passant sagte mir sofort, wo ich hinfahren musste. Die Rezeption des Platzes war natürlich nicht mehr besetzt. Im Gebäude auf der anderen Straßenseite war jedoch eine Klingel. Nach dem Schellen öffnete mir ein Mann, der wirklich kein Wort Deutsch oder Englisch sprach. Irgendwie machte ich ihm begreiflich, dass ich für eine Nacht auf dem Campingplatz mit einem Mini-Zelt übernachten wollte. Er kassierte 11 Euro und versuchte dann, mir zu erklären, dass ich an der Schranke zur Campingplatzeinfahrt einen Knopf zu drücken hätte. Ich verstand nicht. Die Schranke brauchte ich nicht, es war genug Platz für ein Fahrrad. Er wurde fast böse, als ich seiner Meinung nicht kapieren wollte, was er meinte. Er dachte, ich wolle mit einem Auto auf den Platz fahren, und dafür hätte er die Schranke natürlich öffnen müssen. Dass ich mit dem Fahrrad da war, hatte ich ihm zwar gesagt, er aber offensichtlich nicht verstanden. Heute fühle ich mich gut. Es ist zwar etwas bewölkt, aber in der Ferne sehe ich schon blauen Himmel. Auf geht's Richtung Süden. Der Rückenwind ist ordentlich. Ich komme gut vorwärts. Kein Vergleich zu den letzten Tagen! Mit halbem Gepäck fährt es sich erheblich besser. Die Sonne kommt heraus, es wird schnell warm. Der Weg geht an der Rhone entlang und ist landschaftlich sehr schön. Es sind einige Alleen dabei. Hier muss man aufpassen: ist die Straße alt, haben wahrscheinlich Wurzeln den Asphalt am Rand aufgeworfen. Fährt man mit normaler Geschwindigkeit darüber, ist ein Speichenbruch sicher. Aber die meisten Straßen sind gut. Ich muss unbedingt die letzten Berichte ins Internet setzen, sonst weiß ja keiner, dass die Fahrt doch weitergeht. An einer kleinen Bar halte ich und trinke einen Cafe au lait. Ein Junge spielt offensichtlich auf einem Computer auf der Theke. Ich frage ihn, ob er Internetzugang hat. Er bejaht, und seine Eltern haben nichts dagegen, dass ich versuche, meine Dateien hochzuladen. Leider klappt es nicht. Irgenwie ist hier FTP nicht möglich, aber sie sind sehr nett. Im nächsten Ort, Montelimar, ist ein geöffnetes Internetcafe, wo es dann endlich funktioniert. Der Betreiber kommt aus Marokko und ist begeistert, dass ich dorthin fahren will. Er zählt mir viele Orte auf, die ich 'unbedingt' besuchen muss, unter anderem auch das Atlasgebirge. Das will ich aber nicht, zumindest nicht diesmal. In Port St. Esprit verlasse ich die Rhone Richtung Nimes. Es geht nun immer wieder auch mal länger bergauf, dann aber wieder auch bergab. Ich komme weiter gut vorwärts, obwohl der Wind langsam nach Westen dreht. Durch die Großstadt Nimes will ich nicht fahren, sie hält nur auf und ist gefährlich. Ich umgehe sie südlich. Dabei muss ich nun immer öfter gegen den starken Wind fahren und verliere an Geschwindigkeit. Zum Teil kann ich in der Ebene nur 10 km/h fahren. Der Wunsch, einen 200-km-Tag zu machen, entsteht langsam nach der halben Strekce, wenn die Zeit passt. Nach zwei Dritteln wird der Wunsch stärker, ab drei Vierteln übermächtig. Ich wähle als Ziel Palavas südlich von Montpellier aus, so ungefähr 200 km von Valence. Es ist aber schon spät, in Grande Motte (richtig, gibt es hier auch, nicht nur in Lac de Tignes) geht die Sonne unter. Hier bin ich jetzt endlich am Mittelmeer. Doch voll gegen den Wind muss ich noch 17 km fahren, was mir dann doch immer schwerer fällt. Zuletzt fahre ich mit Licht und im Dunkeln zweimal an dem Campingplatz vorbei, bis ich ihn endlich gefunden habe. Das Restaurant ist noch auf. Ich bekomme ein warmes Baguette und einen Cafe auf lait. Dann baue ich mein Zelt auf, dusche und gehe schlafen. Morgen werde ich wohl bis kurz vor Spanien kommen. Ich will es aber etwas ruhiger angehen lasen. |