Die spanischen Küstenorte haben alle die unangenehme Eigenschaft, sich praktisch in Meereshöhe zu befinden. Die sie verbindenden Straßen verlaufen viel höher. Das bedeutet, dass man immer erst kräftig bergauf fahren muss, wenn man einen Ort verlässt. Zumindest gilt das für die Costa Brava, die nördlichste Mittelmeerküste Spaniens. Man wird also schnell warm. Direkt nach der ersten Steigung kommt mir Benedikt entgegen. Wir Fernradfahrer erkennen uns sofort am Gepäck. Über die Straße ruft er, ob ich englisch spreche und woher ich komme. Ich halte an, und wir unterhalten uns. Er ist für zwei Monate von Stuttgart mit dem Fahrrad nach Spanien gefahren und zur Zeit auf dem Weg zurück. Er berichtet, dass es in Spanien nicht möglich ist, das Fahrrad in einem Zug mitzuführen. Das bedeutet, dass ich wohl oder übel die ganze Strecke selbst fahren muss, auch wenn die Zeit knapp wird. Wenn die Straße über den nächsten Bergrücken führt, gibt es immer wieder sehr schöne Ausblicke. Ich halte oft zum Fotografieren an. Doch dann geht es wieder etwas von der Küste weg, östlich an Figueres vorbei, durch Torroella de Montgri und Palafrugell nach Palamos. Der Wind hat wieder aufgefrischt, weht mir mal wieder kräftig entgegen und will mich mürbe machen. Bin ich in einer Senke, lässt er etwas nach. Nach Überwinden der Steigung begrüßt er mich sofort wieder, als ob er sagen wollte: Du entkommst mir nicht! Naja, dann fahre ich eben etwas langsamer. Will man gegen kräftigen Wind nur 2 km/h schneller fahren, braucht man die doppelte Energie. Die Strecke von Palafrugell nach Palamos ist eine 5 km lange Baustelle mit regem Verkehr, zumeist LKWs. Sie fahren oft ziemlich dicht an mir vorbei, zum Glück nicht schnell, sonst würde mich der Luftdruck in den Straßengraben befördern. Aber auch so habe ich die Nase gestrichen voll und freue mich, dass die Lastwagen ab Palamos eine andere Straße benutzen. Ab jetzt geht es wieder am Strand entlang. In Sant Feliu komme ich am Officina de Tourisme vorbei, frage nach einem Internetcafe, das direkt um die Ecke liegt. Hier kann ich meine Bilder und den Text wieder schnell hochladen. Hoffentlich gibt es das in ganz Spanien. Ich freue mich, dass mir viele geschrieben haben. Leider kann ich nicht allen antworten, zumindest jetzt nicht, aber ganz bestimmt am Ende der Reise. Die Angestellte im Internetcafe rät mir davon ab, die Küstenstraße nach Tossa de Mar zu nehmen. Sie sei viel zu schwierig, es ginge immer auf und ab, ich solle besser über die "gute" Straße, die mehr durchs Landesinnere führt, fahren. Das sei auch nicht so anstrengend. Ich erkläre ihr, dass das einen Umweg von mindestens 10 km bedeuten würde, und ich könne die Lastwagen nicht mehr ertragen, und für meine Muskeln wäre es ganz gut. Sie schüttelt verständnislos den Kopf, und ich mache mich auf den Weg. Die Küstenstraße ist wunderbar. Es geht tatsächlich immer bergauf und bergab, aber die Landschaft ist sehr schön. Es macht großen Spaß, hierher zu fahren, auch wenn es mich noch müder macht als ich schon bin. Ich beschließe, einen 3 km hinter Tossa de Mar gelegenen Campingplatz aufzusuchen, auch wenn ich heute nur 125 km gefahren bin. Aber wesentlich mehr ist heute nicht drin. Dieser Campingplatz hat in meinem Campingführer die Kategorie 5 Zelte, also die höchste, und ich bin gespannt, wie gut er wirklich ist. Nun, das Restaurant und die sanitären Anlagen sind gut und sehr sauber. Aber einen Grasplatz für Zelte gibt es nicht. Ich muss mein Zelt auf (feinem) Schotter aufbauen und habe Angst, dass der Zeltboden leidet und nicht mehr wasserdicht ist. Zudem ist er nicht eben, was mir aber inzwischen beim Schlafen nichts mehr ausmacht. Bei dem Kalorienverbrauch, den ich habe, muss ich dafür sorgen, dass ich nicht vom Fleisch falle. Ich habe einen Mordshunger. Obwohl ich den Tag über ein ganzes Brot, eine Tafel Schokolade und vier Bananen gegessen habe, bestelle ich eine Portion Spaghetti und eine Pizza. Jetzt bin ich richtig satt. Der Vorteil des Abendessens im Restaurant ist auch, dass ich den Bericht schreiben kann und dies nicht irgendwo in der Waschküche tun muss. Übrigens, das ist eine tolle Methode, wenn jemand Gewichtsprobleme hat. Einfach mal mit Fahrrad und Gepäck auf eine Reise von mindestens 1500 km gehen, dabei wenig essen, und schon ist man 20 kg leichter! Hoffentlich ist morgen nicht so viel Wind. Ich muss morgen auch durch Barcelona. Erfahrungsgemäß halten große Hafenstädte Fahrradfahrer lange auf. In der Erinnerung stößt mir Neapel übelst auf, auch wenn ich dort super gut übernachtet habe. Ich freue mich sehr auf meinen Schlafsack. Heute nachmittag bin ich bei einer Rast auf einem Spielplatz tief und fest eingeschlafen und wäre fast von der Bank gefallen, was mich dann wieder geweckt hat. Das Zelt und der Schlafsack sind mir jetzt so vertraut, dass ich wohl gar nicht mehr gut in einem Bett schlafen könnte ;-) |