Ich bin angekommen! Endlich in Casablanca! Doch der Reihe nach. In der Nacht hat es geregnet. Es fing schon an, als ich vom Restaurant, das mir ein Mitarbeiter des Internetcafes gezeigt hatte, zum Campingplatz ging. Der Regen dauert mehrere Stunden, ist zum Teil recht heftig. Etwas Wasser dringt durch die Zeltnähte nach innen, aber nicht viel. Daran merke ich, dass das Zelt jetzt doch älter ist. Der Schlafsack wird oben und unten etwas feucht, aber es geht noch. Ich schlafe trotzdem gut. Kurz nach 8 Uhr deutscher Zeit fahre ich wieder los, ich will mich nicht für 3 Tage an die marokkanische Zeit gewöhnen. Der Platzwart muss mir das Tor öffnen, das die ganze Nacht geschlossen war. Er sieht mich etwas zweifelnd an, schließlich ist es hier es kurz nach 6! Noch in Kenitra bekomme ich auch um diese frühe Zeit ein Frühstück. Es ist noch empfindlich kalt, etwa 10 Grad, obwohl es nicht mehr regnet. Ich muss mit Jacke fahren und friere trotzdem etwas. Aber dagegen gibt es ja ein Mittel: schneller fahren. Das tue ich auch. Nach etwa 40 km komme ich nach Rabat. Hier finde ich den Weg nach Casablanca nicht. Ich frage einen Polizisten, der mir wortreich eine bestimmte Richtung anzeigt. Die fahre ich auch, muss aber nach 8 km feststellen, dass es auf die Autobahn geht. Ich kehre um und frage mehrere Leute. Genauso viele unterschiedliche Auskünfte erhalte ich. Ich fahre eine Straße, die zunächst nach meiner Meinung in die richtige Richtung geht, aber sie knickt ab und ist dann ganz bestimmt nicht mehr richtig. Ein Passant erklärt mir, ich müsse zurück zur Stadtmitte zum Busbahnhof, von dort würde die richtige Straße abgehen. Die kenne ich aber schon, es ist die Straße zur Autobahn. Die Leute können sich nicht vorstellen, dass man mit dem Fahrrad nicht auf die Autobahn darf. Trotzdem fahre ich zur Stadtmitte zurück. Auf dem Weg dorthin frage ich zwei Verkehrspolizisten. Sie erklären mir beide, ich dürfe die Autobahn mit dem Fahrrad benutzen, und es wäre der einzige Weg. Also kehre ich wieder um und fahre auf die Autobahn. Insgesamt habe ich bis jetzt in Rabat etwa 15 km umsonst verfahren. Nach einiger Zeit kommt dan das wohlbekannte Schild "Kraftverkehrsstraße". Mutig wie ich bin fahre ich einfach weiter. Im Grunde fährt es sich hier nicht schlecht. Der Randstreifen ist breit und von guter Qualität. Die Autos wie die Lastwagen fahren hier auch nicht schneller als auf der Landstraße, sind aber weiter von mir weg. Irgendwie erscheint es mir hier ungefährlicher und auch leiser. Dazu kommt, dass die Autoabgase nicht mehr ganz so konzentriert sind wie in der Stadt. Das ist wirklich fürchterlich. Alle größeren Fahrzeuge und auch die meisten PKWs stoßen einen unglaublichen Dreck aus dem Auspuff heraus. Manchmal kann ich nicht hindurchsehen. Ich habe noch nie in meinem Leben soviel Abgase eingeatmet wie in Marokko, speziell Rabat, auch nicht in Neapel. Doch zurück zur Autobahn. Schon nach 2 km steht Polizei auf dem Standstreifen. Der Beamte erklärt mir freundlich, dass Fahrräder nicht auf der Autobahn fahren dürfen. Er erlaubt mir aber, bis zur nächsten Ausfahrt weiterzufahren. Dort käme nach 200 m ein Abzweig, wo ich links fahren müsste, dann wäre ich auf der Küstenstraße nach Casablanca. Ich fahre die nächste Ausfahrt herunter und biege nach 200 m links ab. Zur SIcherheit frage ich nochmal einen Polizisten, der zufällig dort steht. Der bestätigt mir, dass es hier nach Casablanca geht. Ich komme nach ca. 3 km Bergauffahren im 1. Gang zunächst nach Temara. Hier ist aber kein Schild nach Casablanca. Außerdem geht die Straße nicht mehr nach Süden, sondern nach Osten. Direkt neben mir ist ein Buchladen. Ich will immer noch eine Landkarte kaufen, obwohl bisher keine zu bekommen war und ich nach der ganz groben Karte mit dem Verzeichnis der Campingplätze gefahren war. Doch auch hier gibt es keine Karte. Aber ein anderer Kunde des Ladens spricht etwas englisch. Er sagt mir, dass ich wieder zurück zur Autobahn müsse. Entsetzt mache ich ihm begreiflich, dass ich nicht mit dem Fahrrad auf der Autobahn fahren darf. Nein, er hat schon verstanden. Hinter der Autobahn verläuft die Küstenstraße. Ich hätte nach der Abfahrt von der Autobahn erst rechts und dann nach 200 m links abbiegen müssen, dann wäre alles in Ordnung gewesen. Das hatte der Polizist mir aber so nicht gesagt. Naja, der Ärger ist bald verflogen, denn die Küstenstraße ist wirklich schön zu fahren. Und sie geht immer geradeaus, nur in Mohammadia wird die Sache vorübergehend etwas unklar. Bei einer Pause begrüßt mich ein Marokkaner mit seiner Tochter. Er lädt mich ein, bei ihm eine Nacht zu bleiben, und bedient sich dabei ohne zu fragen aus meiner offenen Tüte mit Gebäck, das ich in Temara gekauft habe. Freundlicherweise gibt er seiner Tochter auch etwas daraus. Ich bedanke mich für sein großzügiges Angebot und sage ihm, dass ich noch heute in Casablanca ankommen möchte, und fahre weiter. Je näher ich nach Casablanca komme, umso dichter wird die Bebauung und auch der Verkehr. Wann ich genau in Casablanca bin, kann ich gar nicht exakt sagen, Stadteingangsschilder gibt es nicht. Irgendwann befinde ich mich aber mitten in einem dichten Großstadtverkehr, umgeben von Hochhäusern und vielen Geschäften. Auf Nachfrage wird mir bestätigt, hier im Zentrum der Stadt zu sein. Ich habe beschlossen, hier in Casablanca ein Hotel zu nehmen. Der nächste Campingplatz liegt 17 km außerhalb der Stadt. Dann könnte ich wohl nichts mehr von Casablanca sehen, und außerdem sind die Hotels hier in Marokko nicht so teuer. Der erste Hotel, an dem ich vorbeikomme, ist ein Best Western Hotel. Hier frage ich erst gar nicht nach dem Preis. Dann bin ich auch schon mitten im Innenstadtgewühl. Das nächste Hotel hat kein Zimmer mehr frei, ein Angestellter zeigt mir aber, wo ich ein anderes Hotel in der Nähe finde. Es ist das Hotel Rialto gegenüber vom Kino Rialto, wo ich ein Zimmer mit WC und Dusche für 16 Euro pro Nacht bekomme. Auf so manchem Campingplatz habe ich mehr bezahlt und weniger Komfort gehabt. Nach Duschen und Umziehen mache ich mich auf den Weg in die Umgebung, fotografiere und esse vorzüglich. Nach der Rückkher zum Hotel schreibe ich meinen Bericht. Jetzt freue ich mich auf's Bett. Insgesamt war es eine sehr schöne Tour. Die positiven Eindrücke überwogen bei Weitem. Man lernt die Länder und die Bewohner viel besser kennen als mit dem Auto, Flugzeug oder sogar auch mit dem Motorrad. Das unmittelbare Erleben der Natur, der Sonne und auch des Regens, mit allen Sinnen, ist mit keinem Verkehrsmittel so intensiv wie mit dem Fahrrad. Wie liebe ich den Duft von sonnendurchglühten Kiefern- oder Pinienwäldchen, wie wohltuend ist der kühlende Schatten in einem Waldstück nach einer längeren Steigung in der prallen Sonne! Die typische zufriedene Müdigkeit nach einer langen Tagestour stellt sich auch auf keine andere Art und Weise ein. Und nicht zuletzt: es ist ein schönes Gefühl, Europa mit dem Fahrrad nach Norden und nach Süden bis nach Afrika hinein befahren zu haben. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich mich bei der Berechnung der Gesamtstrecke geirrt habe. Ich habe allen erzählt, zum Nordkap wäre es weiter als nach Casablanca. Doch das stimmt nicht. Diese Reise war über 3500 km lang. Die zum Nordkap nur 3237 km. Damit habe ich heute sowohl zeitlich als auch von der Entfernung her die bisher längste Fahrradtour meines Lebens beendet. Ich freue mich, dass so viele Anteil genommen haben an meiner Reise. Ich konnte vielen nicht antworten, das hätte meine zeitlichen Möglichkeiten überfordert, aber das werde ich nachholen. Doch die Kommentare und Ermutigungen haben mir sehr geholfen und mich etwas mit der Heimat verbunden. Vielen Dank! Auch jetzt, wo ich am Ziel angekommen bin, freue ich mich weiter über Post über das Kontaktformular. Schließlich kann ich erst in 3 Tagen nach Hause. Mein Flugzeug geht erst am 25. Mai. Bis dahin werde ich mir noch ein wenig Casablanca ansehen. Zwei Tage Puffer sind angesichts der Länge der Strecke nicht viel. Im Nachhinein sehe ich, dass auch die längeren Strecken über 200 km doch nötig waren, damit ich rechtzeitig ankomme. Von daher war es vielleicht doch ganz gut, dass ich alleine gefahren bin. Da musste ich nur mich selbst überreden, noch 30 km weiter zu fahren, wenn ich schon ziemlich müde war. Ich bin dankbar, dass ich keinen Unfall und keine wirklich gefährliche Situation hatte, dass ich - von der kleinen Episode in Frankreich mal abgesehen - gesund geblieben bin und dass mein Fahrrad mich nicht im Stich gelassen hat. Jetzt am Ende der Reise fühle ich mich fit wie lange nicht mehr. Wenn einige meinen, jetzt müsste ich mich doch erst einmal erholen, dann irren sie sehr. Ich bin gut erholt und freue mich unglaublich auf zu Hause. |