Noch während ich gestern abend den Bericht aus der Waschküche hochlade, beginnt ein Gewitter. Bei heftigem Regen krieche ich in mein Zelt und hoffe, dass es dicht bleibt. Der Schauer lässt nicht nach. Nach vier Stunden ist das Gewitter vorbei, aber der Regen hält unvermindert an. Im Dunkeln sehe ich nicht, ob Wasser hereinkommt, zumindest merke ich nichts und schlafe ein. Immer wieder werde ich vom prasselnden Regen wach. Am Morgen sehe ich, dass sich im Zelt mehrere Pfützen gebildet haben, die der Schlafsack freudig aufzusaugen beginnt. Es ist kalt und regnet immer noch. Ich bleibe noch etwas liegen in der Hoffnung, dass der Regen aufhört. Ein Blick nach draußen belehrt mich eines Besseren: Die Wolken reichen bis zum Boden, der Himmel ist dunkel. Das ist nun schon der dritte Tag mit Regen. Das ist im Prinzip nicht so schlimm, aber durch die Kälte ist jetzt etwas eingetreten, was mir bisher nicht passiert ist: Ich fühle mich krank und merke, dass ich Fieber habe. Trotzdem packe ich im Regen meine Utensilien ein (der nasse Schlafsack geht besser in den Beutel als der trockene) und fahre, eingepackt in mein Regenzeug, los. Sehr schnell bin ich unter dem Regenzeug vom Schweiß nasser als außen vom immer noch strömenden Regen. Die Erkältung sitzt mir in den Knochen, auch kleinere Steigungen fallen mir schwer. Im nächsten Ort bekomme ich ein Frühstück, das ich etwas ausdehne. Ich will nicht mehr in den Regen und die Kälte zurück. Aber irgendwann muss es weitergehen. Die Strecke ist weiterhin hügelig, das Bergauffahren schaffe ich kaum noch. Trotz kaltem Regen glüht mir das Gesicht; mein Atem geht in weißen Schwaden. Die Landstraße ist trist im Regen, der die vorbeifahrenden Autos sehr laut macht. Und Valence kommt einfach kaum näher. An diesem Punkt beschließe ich, aufzuhören. Eine Wetterbesserung ist nicht in Sicht. Ich will mir keine Lungenentzündung holen. In der jetzigen Verfassung kann ich nicht mehr als 50 km am Tag fahren, wenn überhaupt. Das reicht lange nicht, um rechtzeitig anzukommen. Auf der anderen Seite bin ich natürlich traurig, weil ich mich so auf Casablanca gefreut habe. Ich will auch die vielen Freunde nicht enttäuschen, die meine Reise verfolgen und mir sehr nette Kommentare geschickt haben. Aber was nicht geht, geht nicht, auch nicht mit Gewalt. Man muss seine Grenzen erkennen. Sicher werde ich es noch einmal probieren, dann aber mit viel weniger Gepäck. Den Bahnhof von Valence finde ich überraschend gut, obwohl das Zentrum von Valence eine einzige Baustelle ist. Ich bekomme eine Verbindung nach Straßburg, wobei ich nur einmal umsteigen muss (in Lyon), weiter kann man mir keine Fahrkarte verkaufen, weil für die Franzosen nicht klar ist, ob mein Fahrrad auch in Deutschland mitfahren kann. Ich rufe meinen Neffen Johannes an, der mich freundlicherweise in Straßburg am Bahnhof abholt. Um 4:30 h kommen wir in Gelsenkirchen an. Obwohl ich mein Ziel diesmal nicht erreicht habe, bin ich doch 1144 km in 8 Tagen gefahren, was ja auch nicht schlecht ist. Die Fahrt war trotzdem ein Erlebnis wie immer. Besonders die Erfahrung, auch ohne die sonstigen Annehmlichkeiten des täglichen Lebens zurechtzukommen, große Anstrengungen dauerhaft bewältigen zu können, viel Neues und Schönes zu sehen, hat mir trotz der kurzen Strecke viel gebracht. Hier in Gelsenkirchen ist natürlich weiter schönes Wetter. Ich habe Johannes schon gefragt, ob er nicht heute noch einmal nach Straßburg fahren möchte ... |